Zen Kokoro – Worte wie eine Alpaka-Weide: still, weit, zum
Verweilen einladend.
Man muss kein Mönch sein, um
Mensch zu bleiben
„Sei wie ein Baum:
Stehe fest in der Erde, doch lass den Himmel in dein Herz. Und
wenn der Wind kommt, dann tanze.“
Wir leben in einer
Welt, die uns lehrt, zu funktionieren. Vom ersten Morgenlicht an
rennen wir durch den Tag, jonglieren Aufgaben, erfüllen
Erwartungen, halten uns an Zeitpläne, als seien sie das Maß unserer
Existenz. Wir arbeiten, um zu leben, und leben oft nur noch, um
zu arbeiten. Und irgendwann, zwischen all den
Anforderungen, bemerken wir, dass wir mehr für andere da sind
als für uns selbst. Dass wir das Lächeln vor dem Spiegel
verlieren. Dass wir die Stille fürchten, weil sie uns mit der
Frage konfrontiert: Wer bin ich wirklich, wenn niemand etwas
von mir erwartet?
Aber bedeutet
Spiritualität, dass wir uns aus der Welt zurückziehen müssen?
Müssen wir Mönche werden, um Mensch zu bleiben?
Viele denken,
wahre Erkenntnis finde man nur in stillen Klöstern oder
abgeschiedenen Höhlen, fernab vom Lärm der Welt. Aber das Leben findet nicht auf
Berggipfeln statt, sondern mitten im Alltag – zwischen dem
ersten Kaffee am Morgen und dem abendlichen Seufzen der Müdigkeit.
Spiritualität ist kein Ort, den man besucht, sondern eine Art zu
sein. Sie
lebt im tiefen Einatmen vor einer schwierigen Entscheidung, im
aufrichtigen Zuhören, wenn ein Freund spricht, in der Art, wie du deine Hände auf deine
müden Augen legst und dir selbst einen Moment der Ruhe schenkst.
Wie oft nehmen wir
uns Zeit, uns selbst zu begegnen? Nicht in einem gestellten
Selfie, nicht in einer Rolle, die wir perfekt spielen, sondern in diesem
leisen, ungeschminkten Raum in uns, wo nichts von uns verlangt
wird außer zu sein. Warum fällt es uns so schwer, zur inneren
Ruhe zu kommen? Warum besitzt der Bildschirm eine größere
Anziehungskraft als die tanzenden Schwaden eines
Räucherstäbchens? Vielleicht, weil wir uns daran gewöhnt
haben, uns selbst zu überhören. Vielleicht, weil wir niemals gelernt
haben, wirklich hinzuhören.
Und dann gibt es
da noch eine Stimme, die nicht mit Worten spricht. Die sich
zeigt als Müdigkeit, als Spannung in den Schultern, als ein Ziehen
im Rücken, als ein leises Unwohlsein, das wir mit Kaffee oder
Ablenkung übertönen. Unser Körper ist kein stummer Diener – er
spricht, flüstert, warnt uns, wenn wir zu lange gegen unser
eigenes Tempo leben. Er bittet uns nicht um viel, nur um
Pausen, um Momente der Stille, um Augenblicke, in denen wir ihm
– und damit uns selbst – zuhören.
Gönne dir diese
Pausen. Nicht erst, wenn dein Körper dich dazu zwingt, sondern
weil du es verdient hast. Weil deine Seele nicht in der
Geschwindigkeit gedeiht, sondern in der Tiefe.
Atme bewusst.
Nehme dir ein Teil des Himmels.
Er fließt, ohne
dass wir ihn darum bitten. Er ist unser erster Begleiter und unser
letzter. Und
doch schenken wir ihm kaum Beachtung. Aber was geschieht, wenn
wir einen Moment innehalten und bewusst atmen? Wenn wir nicht nur Luft holen, sondern das
Leben selbst einladen? Atme tief ein – spüre, wie sich dein
Brustkorb hebt, wie deine Lungen sich mit Raum füllen. Atme aus – und lass los, was dich
beschwert.
Denn du musst kein Mönch sein, um Mensch
zu bleiben. Aber du darfst dir erlauben, das Menschsein mit all
seiner Tiefe zu spüren.